VISIONSUCHE - TAGEBUCH 2010

 

1. Block

Wo stehen wir? Wo kommen wir her?

Erste Ueberraschung: statt im Frühling landen wir mitten im Winter. Ritzen abdichten und Feuern ist angesagt.

"Ich habe Beziehungen zu klären. Ausserdem interessieren mich zukünftige Werte: meine Beziehung zu Geld z.B."
"Ich suche einen Neuanfang. Möchte gewisse Dinge hinter mir lassen, mich sammeln, neue Kraft tanken. Ich möchte mal vom Konsum wegkommen."
"Ich möchte über blosse Einsichten hinaus Veränderungen einleiten. Ich suche eine Herausforderung. Möchte mich selber besser kennenlernen. Ich möchte mich meiner eigenen Person stellen!"
"Ich suche eine Auseinandersetzung mit mir selbst. Möchte mich hinterfragen ohne dauernd abgelenkt zu werden. Ich möchte Gedanken in Ruhe zu Ende führen können. Ich suche eine Situation, wo ich äussere Dinge nicht beeinflussen kann."

 

2. Block: Tag 1

Samstag 3. Juli

Tonnen von Lebensmitteln hochschleppen - willkommen Schafberghüttli.
Wie finde ich meinen Platz in dieser wunderbaren Natur? Wie schütze ich mich gegen Regen und Wind? Wie sichern wir uns für Notfälle ab? Was kommt mit dem Fasten auf uns zu?
Tausend Fragen beschäftigen uns am heutigen Tag und lassen wenig Zeit zur Musse.
Hier oben auf 1800 Metern Höhe ist es tagsüber angenehm kühl und nachts aber empfindlich kalt.

 

2. Block: Tag 2

Sonntag 4. Juli

Das Wetter ist ein bisschen verhangener, der Wetterbericht durchzogen für Montag und Dienstag, ab Mittwoch dann wieder gut. Auch im Massenlager der Hütte ist es nachts ziemlich kalt. Wie wird es wohl draussen sein?

Die Glaubersalz - Aktion nach dem abendlichen Gemüsemahl nehmen wir mit Humor auf uns; der Erfolg ist noch nicht sehr durchschlagend, sodass wir dann doch beizeiten zu Bett gehen, da wir bei Anbruch des Tages um 5.30 Uhr zu unsrer Visionssuche ein jeder an seinen ausgesuchten Platz aufbrechen wollen.

 

2. Block: Tag 3

Montag: der erste Tag draussen

Am Morgen bei Sonnenaufgang haben wir unser "Basislager", die Schafberghütte, verlassen und sind zu unserem dreitägigen Aufenthalt in der Natur aufgebrochen.

"Nach dem Ankommen an meinem Platz habe ich zuerst in der Hängematte ausgeschlafen. Das half mir Anzukommen"
"Ich merkte bald, dass ich tief ins Gemsen-Gebiet eingedrungen war. Sie flüchteten panikartig den Hang hinunter. Ich merkte, das ich nicht mehr alles so im Griff hatte, wie ich das sonst tue. Viele Gedanken an meine Grossmutter."
"Ich habe mich zuerst gut eingerichtet an meinem Platz. Es war aber recht kalt und ich merkte, dass ich zuwenig Kleider dabei hatte. Fühlte mich durch das Fasten schwächlich aber eigentlich ok."
Ich war müde, habe als erstes ausgeschlafen. Dann gab ich mir aber einen innerlichen Ruck und ging wandern. Alles war neu: Schafe, der Schafbock, der ein wenig Respekt einflösste, die Berge, die Natur. Die Zeit war ohne Uhr schwer einzuschätzen, zumal die Sonne nicht schien."

 

2. Block: Tag 4

Dienstag: der zweite Tag draussen

Das Wetter ist verhangen und neblig, kalt. Aber am Abend gibts Alpenglühen als Vorgeschmack auf den nächsten Tag.

"Ich habe aktuelle Ereignisse wie meine ausstehende Matura eher ausgeblendet und mich auf die Tagesereignisse konzentriert. Ich hatte mega Lust auf Essen und habe mir eine Liste von Leckerbissen aufgestellt, die ich gerne hätte. Dann hat mich meine Stagnation seit etwa 6 Jahren überfallen. Ich habe mir dann eine "to do" Liste für diesen Sommer aufgeschrieben."
"Der zweite Tag war sehr mühsam. Ich habe Runden gedreht, in die Bäume geschaut, fast nicht geschlafen, gefroren und mit der Müdigkeit gekämpft."
"Am zweiten Tag fühlte ich mich sehr schwach, da musste ich an meinen Bruder denken, der solche Dinge immer als Herausforderung anschaut. Es war unbequem, nass vom Nebel, die Schafe blökten den ganzen Nachmittag und dann heulte auch noch der Wind über den Grat. Ich habe wenig nachgedacht und viel gelebt. Musste viel an meinen Vater denken."
"Auch ich fühlte mich am zweiten Tag sehr schwach. Nur schon das Hinauflaufen um mein Lebenszeichen zu deponieren fiel schwer. Ich konnte das Schwachsein aber gut akzeptieren. Viele Lieder gingen mir durch den Kopf. Dann musste ich an meine Freundin denken und wälzte verschiedene Möglichkeiten von Stabilität und Sicherheit bis Abenteuer und Kunst im Kopf hin und her."

 

2. Block: Tag 5

Mittwoch: der dritte Tag draussen

Zum ersten Mal strahlendes Wetter. Sehr warm: Sommer

"Ich war sehr weit wandern, habe überall, wo es ein wenig gefährlich war, Blumen gepflückt und auf meinen Wanderstock gesteckt. Dann habe ich den Rückweg unterschätzt und hatte Angst, meine Kraft reiche nicht mehr um zurückzukehren. In der letzten Nacht sah ich sechs Sternschnuppen und habe sechs Wünsche in den Himmel geschickt. Habe geschworen, mein Leben neu anzupacken!"
"Mein letzte Nacht war endlos, unbequem und ein Kampf gegen den Schlaf. Ich sah eine Hexe mit krummer Nase und einem Stock. Dann machte ich mir eine Vision: Ich brauche eine Armbanduhr!"
"Meine Vision nachts dort oben auf dem Grat: die Welt ist so geil, man muss hinausgehen und etwas erleben! Alles muss neu werden! Alles!"
"Am letzten Tag und in der letzten Nacht war die Auseinandersetzung mit mir selbst fast ein wenig banal. Ich sehnte mich nach meinen Vorfahren in Südtirol, aber die Vergangenheit bröckelte wie weg. Dann träumte ich, ich hätte meinen Eltern einen Diamanten geklaut den ich gegen Feinde verteidigen musste!"

 

2. Block: Tag 6

Donnerstag: Tag der Rückkehr

Prächtiges Sommerwetter, wolkenloser Himmer, nachts Sternschnuppen und die Milchstrasse über uns.

Heute früh bei Tagesbeginn sind alle wieder von ihrem dreitätigen Aufenthalt in der Natur in die Schafberghütte zurückgekehrt. Alle sind wohlauf, der Hunger ist gross und wird vorerst mit einem Gemüsesüppchen gelindert. Da die Nacht vorher wachend verbracht worden war, holen wir am Vormittag den versäumten Schlaf nach. Nachmittags notieren wir alles Erlebte und freuen uns, wieder mit anderen reden zu können und essen und trinken geniessen zu können.

 

2. Block: Tag 7

Freitag: Auswertung und Ausblick

Heute suchen wir jeden einzelnen Platz in der Natur auf und lassen uns die Geschichte, die dort erlebt wurde erzählen. Wir stehen staunend vor einer Fülle von Geschehnissen, Gedanken und Einfällen.
Noch einmal suchen wir den Sonnenuntergang hoch über dem Sarnersee auf dem kleinen Gipfel auf und hören uns die Geschichte vom Schatz unter der Feuerstelle im eigenen Alphüttli an.

"Ich hatte grosse Mühe mit der Zeit, die ich ohne Uhr nicht im Griff hatte. Genauso muss ich in meinem sonstigen Leben Verantwortung für meine Zeit übernehmen!"
"Ich möchte auch in meinem sonstigen Leben manchmal Verzicht leisten, um mich dann umso mehr wieder über etwas einfaches freuen zu können. Ich mache mir zu viele Sorgen über die Zukunft."
"Als ich oben auf den Grat die Nacht verbrachte, die Lichter von Sarnen und Luzern und über mir die Milchstrasse sah, musste ich unwillkürlich denken: Die Welt ist wirklich geil!"
"Die letzte Nacht habe ich gewartet auf grosse Ereignisse, es ist aber nichts Grosses passiert. Da war ich fast ein wenig enttäuscht."

 

2. Block: Tag 8

Samstag: unser letzter Tag auf dem Berg

Nach wie vor prächtiges Sommerwetter. Nach gemütlichem Frühstück haben wir die Hütte geräumt, geputzt, aufgeräumt; dann das ganze Material gebuckelt und zur Ebnet-Alp hinuntergetragen.
Damit endet unsere Visionssuche für dieses Jahr. Ich wünsche Euch allen, dass ihr das Erlebte gewinnbringend einsetzen könnt.
Geht euren Weg einfach weiter: der Weg entsteht wenn ihr geht!"